Aktiv und fit bleiben bis ins hohe Alter und das mithilfe des heimischen Fernsehsessels. Das ist die Idee hinter dem Forschungsprojekt GewoS. Aktivität und Bewegung können vielen Erkrankungen vorbeugen und sind dadurch ein wesentlicher Faktor dafür, im Alter ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Zuhause führen zu können.
Im Zentrum des Projekts steht die Entwicklung eines Bewegungssessels, ein Möbelstück das zugleich Fitnessgerät ist. Ein Sessel, in dem man einerseits bequem und entspannt sitzen kann, der andererseits aber auch zur Bewegung innerhalb und außerhalb des Sessels anregt. Ein Fitnessgerät, das sich in die Wohnumgebung und den gewohnten Tagesablauf einfügt und dadurch nicht das Schicksal vieler anderer Fitnessgeräte teilt, die ungenutzt in einer Ecke verstaut werden, nachdem der Reiz des Neuen verschwunden ist. Ein Fitnessgerät, das sich bei jedem Wetter nutzen lässt und ein Bewegungsangebot für all jene bereithält, die – aus welchem Grund auch immer – nicht den Weg in ein Fitnessstudio oder einen Sportverein finden.
Doch der Bewegungssessel kann noch mehr: Er ist mit Sensoren ausgestattet, die wichtige Vitalparameter messen. Sie sind eine einfache Möglichkeit, den eigenen Gesundheitszustand zu veranschaulichen und dadurch das Bewusstsein und die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu stärken.
Um diese Funktionen bieten zu können, ist der Bewegungssessel mit seinen Sensoren in ein technisches System eingebunden, das aus zwei Client-Rechnern, einem energieautarken Remote Controller und einer Internetplattform besteht. Einer der beiden Clients ist am Sessel untergebracht und übernimmt die Aufbereitung der Daten von den Vitalparameter-Sensoren im Sessel. Hier kommt ein Tablet-PC zum Einsatz, der in einer kommerziellen Systemvariante auch als Bediengerät eingesetzt wird.
Auf dem zweiten Client – dem sogenannten Client TV – läuft die zentrale Anwendung des Systems. Sie empfängt die Sensordaten vom Client im Sessel, speichert sie in einer Datenbank, wertet sie aus und zeigt Messwerte und Auswertungsergebnisse an. Mit dem Bewegungssessel wird es möglich sein, regelmäßige Tests zur Fitness und Beweglichkeit sowie zum allgemeinen Wohlbefinden durchzuführen. Aus den Testergebnissen wird ein individueller Übungsplan abgeleitet. Die Anwendung auf dem Client erzeugt und verwaltet den Trainingsplan mit Übungsterminen und präsentiert die Anleitungen, nach denen der Benutzer die Tests und Übungen absolviert. Neben den geplanten Übungen, die Fitness und Beweglichkeit gezielt verbessern, wird die Client-Anwendung spielerische und unterhaltende Elemente für sportlich weniger ambitionierte Benutzer anbieten. Damit sollen außerdem Benutzer angesprochen werden, die nach einem Einstieg in eine sportlich-aktive Lebensweise suchen. Das System sieht ein Motivationskonzept vor, das sowohl das Erreichen von Gesundheitszielen als auch einzelne Aktivitäten belohnt.
Der Client TV nutzt für seine Ausgaben ein vorhandenes Fernsehgerät. In der Basisvariante wird er mit einem einfachen, einer TV-Fernbedienung nachempfundenen, Remote Controller bedient, der dank der „Energy Harvesting“ Technologien des Projektpartners EnOcean energieautark und wartungsfrei ist. Auf diesen Technologien beruht auch ein Bewegungssensor, mit dem Aktivitäten außerhalb des Bewegungssessels und der Wohnung erfasst werden können.
Das GewoS-System ist als erweiterbares System konzipiert, in das Drittanbieter neue Dienstleistungen und Anwendungen integrieren können. Der Client TV weist dafür eine Plugin-Schnittstelle auf. Eine weitere Schnittstelle für Dienstleister ist die Internetplattform, über die beispielsweise Apps und Informationen angeboten werden können. Außerdem soll die Plattform dazu dienen, Gemeinschaftserlebnisse zu schaffen, indem Benutzer Fitness- oder Gesundheitsziele gemeinsam oder im Wettbewerb gegeneinander anstreben und Erfahrungen untereinander austauschen können. Damit ermöglicht die Plattform aus Anbietersicht Geschäftsmodelle mit hoher Kundenbindung. Aus Benutzersicht trägt sie zur Motivation sowie zu Spaß und Abwechslung bei der langfristigen Nutzung des Bewegungssessels bei. Daneben ist die Internetplattform Basis für eine Reihe technischer Vorgänge wie Backup der Daten und Update der Clients.
Auf dem Client TV läuft Linux als Betriebssystem, zur Speicherung der Daten wird das Open Source RDBMS (Relationales Datenbank-Managementsystem) MySQL eingesetzt. Die Benutzerschnittstelle der in C/C++ geschriebenen GewoS-Anwendung realisieren wir mit dem ISA Dialog Manager. Dadurch ist sie portabel und kann in ihrer kommerziellen Variante mit einfachen Mitteln so ausgelegt werden, dass sie auch auf bereits im Haushalt vorhandenen Geräten installiert werden kann. Spezielle GUI-Objekte, zum Beispiel Diagramme zur Darstellung des zeitlichen Verlaufs von Vitalparametern, werden über die USW-Schnittstelle des ISA Dialog Managers eingebunden. Die Realisierung dieser Benutzerschnittstelle in einem Bereich, in dem der ISA Dialog Manager eher selten zum Einsatz kommt, bietet uns Möglichkeiten vorhandene Funktionen des Produkts zu erweitern und die eine oder andere neue Funktion prototypisch zu implementieren.
Eine von uns zu meisternde Herausforderung bei der Entwicklung der Benutzerschnittstelle stellt das Bedienkonzept mit dem Remote Controller dar. Da er energieautark und einfach zu handhaben sein soll, wird er nur wenige Tasten aufweisen können. Dennoch muss es möglich sein, die ganze Funktionsvielfalt der GewoS-Anwendung intuitiv erreichbar zu machen. Dies erfordert zum Beispiel eine klare Anwendungsstruktur und eindeutige Rückmeldungen, wo sich der Benutzer innerhalb der Anwendung befindet und welche Funktionen er von dort aus aufrufen kann.
Für die Spezifikation des Client TV werden Prototypen mit unterschiedlichen Zielsetzungen entwickelt. Anhand der ersten Prototypen wurde analysiert, welche Konsequenzen das Bedienkonzept auf die Benutzeroberfläche hat und welche Restriktionen es mit sich bringt. Außerdem wurden Erkenntnisse gesammelt, welche Anpassungsmöglichkeiten, beispielsweise im Hinblick auf Schriftgröße und Farben, sinnvoll sind. Der ISA Dialog Manager bietet verschiedene Funktionen, die das Prototyping von Benutzerschnittstellen unterstützen, zum Beispiel das Ändern von Dialogen ohne dafür die Applikation neu bauen zu müssen.
Eine weitere Herausforderung stellt der Entwicklungsprozess dar, der durch hohe Agilität geprägt ist. Die Zahl der Komponenten und ihre Komplexität lassen es nicht zu, die Implementierung erst dann zu beginnen, wenn vollständige Spezifikationen vorliegen. Die Entwicklung von Komponenten erfolgt parallel zur Ausarbeitung der theoretischen Grundlagen und Konzepte, damit für beides ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Die Parallelisierung ist auch erforderlich, um früh Feedback zu einzelnen Teilaspekten einholen zu können, durch das eine detaillierte Systemspezifikation oft überhaupt erst möglich wird. Die Implementierung wird mit groben Anforderungen und Spezifikationen begonnen, die verfeinert werden sobald neue Erkenntnisse vorliegen. Basis der parallelen Entwicklung von Applikationen ist ihre Zerlegung in Module beziehungsweise Schichten, deren Schnittstellen früh festgelegt werden. Dadurch wird außerdem die Komplexität der Entwicklung beherrschbar.
Wir nehmen im Projekt GewoS folgende Aufgaben wahr:
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Innovationsmanufaktur GmbH, München | himolla Polstermöbel GmbH, Taufkirchen/Vils | Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen, Erlangen |
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Sophia mit P.S. GmbH, Bad Tölz | ISA Informationssysteme GmbH, Stuttgart | EnOcean GmbH, Oberhaching |
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Lehrstuhl für Präventive Pädiatrie | TU München | Lehrstuhl für Baurealisierung und Baurobotik |
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Novotec Medical GmbH, Pforzheim | Platingroup GmbH, Stuttgart |
1. April 2010 – 30. September 2013.
Das Projekt „GewoS – Gesund wohnen mit Stil“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 16 SV 3971 gefördert. Es ist eins von 18 Projekten der Fördermaßnahme „Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben – AAL“.
Veli Velioglu
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